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Und ewig grüßt das Murmeltier

11.10.2018 | In der Zoom! 03/18 erläutern Raffael Weber und Jens Schnückel ihr Kommunikationskonzept für die Rewe-To-Go-Shops an Aral-Tankstellen – und erzählen, warum im Marketing der Big Data-Ära jeder Tag »Tag Eins« ist:

Rewe, einer der größten Lebensmittelhändler Deutschlands, hat mit einem Convenience-Konzept namens »Rewe To Go« eine ganz bestimmte Zielgruppe im Visier: Kunden, die sich quasi im Vorbeigehen mit Lebensmitteln versorgen, aber dennoch Ansprüche an Qualität und Einkaufserlebnis stellen. Ein Teil des Konzeptes ist es, Rewe-To-Go-Shops an Aral-Tankstellen einzurichten – und zu bewerben.

Mit der Aufgabe, ein neues Kommunikationskonzept für die Shops an den Tankstellen zu erarbeiten, wurde das Düsseldorfer Unternehmen BRANDLOCAL beauftragt. Die Hauptfragestellung war: Wie begeistere ich die bestehenden Kunden für Rewe To Go, vor allem aber: Wie erschließe ich ganz neue Zielgruppen?
»Von Anfang an haben wir ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, die wachsende Vielfalt der digitalen Werbemöglichkeiten mit einzubeziehen«, beginnt Jens Schnückel, Geschäftsführer von BRANDLOCAL. »Unser Schwerpunkt lag dabei darauf, mit innovativen Geo-Intelligence-Ansätzen ein sehr lokales Wissen unserer Zielgruppen zu erreichen.« Ein entscheidender Weg dahin führte über die Nutzung der Informationen, die Smartphones vermitteln können.
Doch zunächst einmal wurde die Erfassung der relevanten Zielgruppen im Raum auf klassischem Wege über die Integration und Auswertung der unterschiedlichsten Markt- und Potenzialdaten durchgeführt. Das Ergebnis war eine statische Zielgruppenerfassung – eine gute Grundlage, aber nicht ausreichend für Standorte, die hochgradig von einem dynamischen Kundenstamm abhängig sind. Denn es ging nicht darum, im Umkreis von fünf Gehminuten Plakataktionen zu planen, so funktioniert das Marketing an Tankstellen nicht.  Das Ziel war, Kunden sehr genau anzusprechen – und zwar mit Bezug zu den Standorten, an denen sie tatsächlich aufschlagen.

»Echte« Customer Journeys
Und wer liefert präzisere Daten über den Standort eines Menschen als sein Smartphone? Daher wurden erstmals die dynamischen Pendlerströme ermittelt anhand der Bewegungsmuster von Smartphones: »Ein Geofence um die Tankstellenstandorte erfasste initial die Kennung der mobilen Geräte, die dann über mehrere Wochen getrackt wurden«, erläutert Jens Schnückel. »Dazu konnten wir eine von uns entwickelte Tracking-Plattform einsetzen. Das Ergebnis: konkrete Bewegungsmuster über den Tagesverlauf, runtergebrochen auf jedes einzelne Gerät – das sind echte ›Customer Journeys‹, die real im Raum nachvollziehbar waren.«

Ganz im Sinne der DSGVO
An dieser Stelle ist ein kleiner Einschub notwendig, der die Hintergründe dieses Tracking erläutert. Denn nein – weder Aral noch Rewe oder CROSSMEDIA wissen, wo Sie gewesen sind.
Jedes mobile Gerät besitzt eine eindeutige, nicht mit einer Person verknüpfbare ID, einen Zeitstempel und, sofern aktiviert, eine GPS-Koordinate. Diese, und nur diese Informationen, werden als rudimentärer Datensatz in einem sogenannten Bitstream ausgespielt. Die Daten verfolgen allein den Zweck, ein Gerät oder auch den Cookie eines Browsers zu identifizieren und als für Werbezwecke interessantes Gerät einzuschätzen. Ausgespielt werden diese Daten nur, wenn Sie sie in einer entsprechenden App freigegeben haben – oder wenn Sie eine kostenlose, werbefinanzierte App auf Ihrem Handy haben, in dem Fall stimmen Sie quasi automatisch der Nutzung zu.
Natürlich gibt es Applikationen, die noch ganz andere Daten auslesen, aber um die geht es nicht bei dem genannten Verfahren. Die für solche Art der Werbung und Identifikation sind anonym und gehen mit der Datenschutzgrundverordnung absolut konform.

Die Neuordnung von Einzugsgebieten
Im Gegensatz zu den Informationen, in welcher Funkzelle ein Gerät eingeloggt war, stehen damit Daten mit einer sehr präzisen Verortung zur Verfügung. Und damit kommen wir zu einem wichtigen Aspekt für die weitere Auswertung: die Überspielung der Geodaten in ein Geoinformationssystem.
Dieser Schritt erlaubt eine erste Qualifizierung der Daten: Aral-Kunden sind eine motorisierte Zielgruppe, und die Bewegungsmuster ermöglichen, diese von ÖPNV-Nutzern zu unterscheiden. Das sind schon einmal zwei wichtige Filtermechanismen aus den unstrukturierten Informationen, die »Big Data« liefert: Tausende Positionsdaten werden zu einzelnen linearen Datensätzen zusammengefasst, diese wiederum anhand von Bewegungsmustern kategorisiert.
Ein Beispiel illustriert die Vorteile dieser Herangehensweise: »Stellen Sie sich vor, Sie wohnen im Norden von Köln und fahren jeden Tag nach Düsseldorf zur Arbeit«, entwirft Raffael Weber, Geschäftsführer von BRANDLOCAL. »Eine Aral-Tankstelle in der Nähe Ihres Wohnortes anzufahren, wäre ein riesiger Umweg. Aber in Düsseldorf müssten Sie dafür nur einen kleinen Umweg machen. Könnte dieser Standort für Rewe To Go interessant sein?«
Nach klassischen Analysen wäre für die Düsseldorfer Tankstelle sicher kein Einzugsgebiet ermittelt worden, das weit entfernt liegt. Aus den im Rahmen der Analyse ermittelten Daten hat sich aber ein kleines Cluster an Pendlern ergeben, das im Einzugsbereich dieser Tankstelle liegt – eine lokal begrenzte Zielgruppe, die 30 km entfernt wohnt. »Und für die wir auf verschiedenen Wegen Aufmerksamkeit für die Marken Aral und Rewe To Go erreichen können – ob mit einem zeitgenauen Mittagsangebot auf das Smartphone oder einer Plakataktion in der Nähe der Arbeitsstellen.«

Interdisziplinäre Teams werden Pflicht
Das ist ein Beispiel, wie sich aus den Smartphone-Daten mit entsprechenden Herangehensweisen auch Handlungen für ganz andere Medien ableiten lassen. Das Smartphone als konsumentennahes Gerät ist dabei nur eine potenzielle Quelle. Wenn Sportartikelhersteller anfangen, miniaturisierte Computer in die Kleidung einzubauen, um Daten im Health- und Fitnessbereich zu sammeln, kommt die nächste Stufe des Internet of Things. Der Aufruf von BRANDLOCAL: Es wird Zeit, mit alten Denkmustern zu brechen und neue Herangehensweisen in das Marketing zu integrieren. Ein Team muss zunehmend interdisziplinärer werden, um den Herausforderungen zu genügen. Neben Marketingfachleuten sind GIS-Experten fast jetzt schon Pflicht, und zur Bewältigung von den enormen Datenmengen stößt man schnell in Forschungsbereiche vor, die noch ganz andere Qualifikationen erfordern.

Erfolgreich, und doch …
Der Projektansatz für Aral und Rewe To Go war sehr erfolgreich, eine Werbemittel-Erfolgsmessung über Geofences vor Ort ergab ein Uplift der Conversion Rate von bis zu 171 Prozent in der erreichten Zielgruppe. Und doch sagt Raffael Weber: »Wenn ich das Projekt heute starten würde, würde ich es noch anders angehen.« Denn, so fährt er fort, das Thema der Auswertung von Big Data ist immer noch so neu und so im Fluss, dass eigentlich jeder Tag »Tag Eins« ist. Sein Appell: anfangen und Erfahrungen sammeln. »Das Thema Internet of Things, die Auswertung dieser enormen Datenflut, die noch auf uns zukommen wird, ist erst noch am Anfang. Wenn wir in fünf Jahren das Gefühl haben, ständig in irgendwelche Sensorschranken zu laufen, wir überall Gadgets tragen, dann wird das Thema noch eine ganz andere Dimension erfahren.« Und, setzt er nach, ohne den räumlichen Aspekt nicht zu bewältigen sein.

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